Am Freitag, den 18. Oktober fand in diesem Jahr der 2. Frauenabend des Arbeitskreises Asyl im evangelischen Gemeindehaus statt. Beim letzten Frauenabend im Mai hatte sich gezeigt, dass die geflüchteten syrischen Frauen diesen geschützten Rahmen gerne nutzen, um offen von ihren Erfahrungen und Erlebnissen zu erzählen. Gerade die Idee, dass weder Kinder noch Männer anwesend sind, gefiel den Frauen besonders gut. Dadurch können auch Themen angesprochen werden, die sonst nie zur Sprache kämen.
„Aber wie konnten die syrischen Frauen sich verständigen und wie konnten die deutschen Frauen die Erzählungen verstehen?“ werden Sie sich vielleicht nun fragen. Nadia Aljabali, eine Geflüchtete aus Syrien, die schon bei einigen Informationsveranstaltungen über ihr Leben und ihre Flucht berichtet hat, beherrscht mittlerweile die deutsche Sprache so gut, dass sie die Lebensgeschichten der syrischen Frauen übersetzen konnte. Als Verstärkung hatte sie ihre Schwester mitgebracht, die zum Teil gleichzeitig zu ihren Ausführungen den syrischen Frauen in ihrer Sprache den Stand der Diskussion übersetzte. Dadurch war gewährleistet, dass alle immer gleichzeitig informiert waren und das Gespräch wegen der Übersetzungsphase nicht zu lange stoppen musste.
Der Abend begann mit einer kleinen Vorstellungsrunde, bei dem sich die syrischen Frauen mit ihren nun schon ganz guten Deutschkenntnissen ohne Hilfe vorstellen konnten. Gern wurde der Faden von der nächsten Frau aufgenommen und es entwickelte sich sehr schnell ein lebendiger Austausch über Länder- und Kulturgrenzen hinweg. Zum Schluss bildete das
weitergegebene Wollknäuel ein alle verbindendes Netz, das sinnbildlich die verschiedenen Erzählstränge zeigte.
Im Unterschied zum letzten Frauenabend, bei dem Geburt, Familie, die Stellung der Frau und das umfassende Thema „Heimat-Heimweh“ im Vordergrund standen, wurde dieser Abend überschattet von den politischen Entwicklungen im Grenzgebiet der Türkei zu Syrien. Alle syrischen Frauen haben noch Familienangehörige in Syrien und bei einigen lebt die zurückgebliebene Familie sogar in dem derzeit umkämpften Gebiet. Und so berichteten sie alle von ihren großen Sorgen um die Sicherheit ihrer Daheimgebliebenen und der Hilflosigkeit angesichts der Situation.
Und plötzlich rückten die vielen Ängste, die seelischen Narben und Verletzungen und die demütigenden Erlebnisse in Syrien ins Bewusstsein und die Frauen trauten sich, davon zu erzählen. All die leidvollen Erfahrungen standen förmlich im Raum und berührten uns deutsche Frauen sehr. Erst jetzt in Sicherheit und durch das gewonnene Vertrauen ist es den Geflüchteten möglich darüber zu sprechen. Viele berichteten von dem gleichen Traum, der sie nachts heimsucht: Sie stehen in Syrien und fühlen erneut die Angst und Ausweglosigkeit. Und nebenbei fragen sie sich, warum sie nicht mehr im sicheren Deutschland sind. Zum Glück wachen sie dann auf und wissen sich in Frieden und in gesicherter Existenz.
Bei all den traurigen Themen konnten wir uns aber auch über viele alltägliche Dinge austauschen und oft sogar gemeinsam lachen. Zum Beispiel über die Erzählungen der syrischen Frauen vom Kinobesuch oder ihren Erfahrungen mit dem deutschen Schulwesen beim Elternabend.
Ganz dicht war zum Schluss der Erzählteppich gewebt und wieder ein Stück zusammengewachsen sind die teilnehmenden Frauen dabei. Die Offenheit gegenüber dem Ausgesprochenen und das erlebte Vertrauen, beim „sich zu öffnen“ verstanden zu werden, nahmen sicher alle als wertvolles Geschenk mit nach Hause.Ein ganz besonderer Dank möchte der Arbeitskreis Asyl Nadia für ihre feinfühlige Moderation des Abends und ihre professionelle Übersetzungsarbeit sagen. Sie wurde nicht müde, allen die Anmerkungen und Erzählungen zu übersetzen und auch aufkommende Fragen gleich in der richtigen Sprache weiterzugeben. Ohne Ihren großartigen Einsatz wäre dieser Abend nicht so aufschlussreich, wertvoll und berührend offen geworden.
Im Frühling nehmen wir die Erzählfäden wieder auf, gerne kommen Sie dazu und gestalten den gemeinsamen Abend mit Ihren Erzählungen mit.
c.f.